Legasthenie und Latein
Immer häufiger wird Latein nicht mehr nur als Ausweis eines erhöhten Bildungsanspruches angesehen, sondern erscheint auch als Chance für Schülerinnen und Schüler, die an einer Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) leiden. Der Umstand, dass die Schülerinnen und Schüler in der Regel keine lateinischen Texte schreiben müssen, entlastet von Ängsten, in der zweiten Fremdsprache an der Rechtschreibung zu scheitern, obwohl doch andere Anforderungen des Spracherwerbs gemeistert werden können.
Als Vertreter der alten Sprachen am Cato Bontjes van Beek-Gymnasium begrüßen wir es grundsätzlich, dass Latein nicht mehr als ein elitäres Gut und damit letztlich auch als Luxus angesehen wird, ohne dass wir den Anspruch aufgeben, Latein als besonders geeignetes Medium unserer Kultur zu begreifen und auch zu vermitteln.
Dennoch beinhaltet auch das Lateinische Herausforderungen an die Lese- und Schreibfähigkeit derSchülerinnen und Schüler. Das Lateinische ist eine sogenannte „synthetische Sprache“, d. h. die Satzteilrollen (z. B. Subjekt/Prädikat/Objekt) werden sehr stark über Endungen bestimmt und nicht über die Position der Wörter im Satz. Dadurch hat das Lateinische gegenüber dem Deutschen und dem Englischen viel mehr Formen, die oft nur subtile Unterschiede aufweisen und z. B. in Formentests richtig geschrieben werden müssen. Die Formen bedeuten auch einen erhöhten Aufwand im bei SchülerInnen nicht immer beliebten „Auswendiglernen“. Das Lateinische eignet sich also nicht, wenn ein einfacher Weg gesucht wird, mit der zweiten Fremdsprache, die ja immer noch Ausweis der Gymnasialfähigkeit ist, klar zu kommen.
Richtig aber ist, dass gerade diese Fokussierung auf Formen, wenn sie didaktisch richtig vermittelt wird, Schülerinnen und Schüler mit LRS helfen kann, Rechtschreibschwächen bewusst anzugehen und sich nicht im Gefüge eines Textes zu verlieren. Auch ist die Unterrichtssprache Deutsch; das Vorlesen lateinischer Texte wiederum bereitetet den SchülerInnen auf Grund der „Lauttreue“ der Sprache keine großen Probleme.
LRS ist ein komplexes Phänomen (das oft auch zusammen mit anderen kognitiven Beeinträchtigungen einhergeht) und kann nicht von der Schule allein gelöst werden. Die Lehrkräfte des Cato Bontjes van Beek-Gymnasium sind sich dieser Problematik besonders bewusst und an der Zusammenarbeit mit den Eltern von Schülerinnen und Schülern, die von LRS betroffen sind, interessiert.